Fortschritt und Kontinuität stehen einander oft im Weg. Wenn diese beiden vermeintlich antagonistischen Prinzipien einander jedoch bedingen, entsteht meist Großes. „Voyage“, das zweite Album von Deutschlands kleinster Big Band Was Nun, ist zweifellos ein solcher Glücksfall. Das Echo des erst im letzten Jahr erschienenen Debüts hallt noch nach, und doch bricht die sechsköpfige Band in ganz neue Gefilde auf.
So originell der Bandname Was Nun ist, gelingt es der Gruppe, ihn auf „Voyage“ in herrlich erfrischender Weise zu ignorieren, denn bei ihrem zweiten Streich weiß das Sextett ganz genau, was nun zu tun ist. Sie kultivieren weiterhin jenen aufmüpfig distinguierten Sound des Vorgängers, der sich zwar huldvoll an den Errungenschaften der Jazzgeschichte anlehnt, aber gleichzeitig selbstbewusst in die Zukunft aufbricht. Die Arrangements für die drei Bläser und die Rhythmusgruppe sind so ausgefeilt und präzise, dass es oft schwer zu glauben ist, dass da nur eine Sextett-Besetzung am Werke ist.
Von einer Reihe Theaterprojekten, die dem Debüt vorangingen, war die Band es gewohnt, in großen Zeitabläufen zu denken. Diesmal wollte sie aber mehr den unmittelbaren Augenblick genießen. Dieses Bekenntnis zur Spontaneität kommt mit geballter Kraft rüber. Erzählten die sechs Reisenden auf „Labyrinth“ noch eine Geschichte, woher sie kommen, markieren sie auf „Voyage“ umso deutlicher, wo sie derzeit stehen. Dieser subtile Sprung in die Gegenwart äußert sich in jedem Song auf andere Weise. Wo andere Bands reifen und altern, hat Was Nun zwar hörbar an Erfahrungen hinzugewonnen, zugleich aber in einem Jungbrunnen gebadet, ohne sich dem Geschmack ihrer Hörerinnen und Hörer anzubiedern. Zur neuen Gangart von Was Nun gehört auch die Aufwertung der Rhythmusgruppe. Standen Klavier, Bass und Schlagzeug auf „Labyrinth“ noch – wenn auch prominent – ein wenig im Schatten der breit aufgestellten Bläser-Front, setzen sie auf „Voyage“ viel mehr eigene Akzente. Das Spiel von Was Nun wird dadurch konturierter und kontrastreicher. Große Parts erscheinen so noch größer, kleinere Parts wirken viel kleiner. Die Gesamtheit der Gegensätze ruht auf allen sechs Schultern. „Sechse kommen durch die ganze Welt“ konstatierten schon die Brüder Grimm. Und so nimmt die Reise ihren Lauf. Eine Band erfindet sich neu und hält sich doch selbst die Treue. Was Nun nimmt das imaginierende Ohr mit auf einen kurzweiligen, ebenso abwechslungs- wie ereignisreichen Trip vom Vertrauten ins Unbekannte, der hier zum Verweilen, dort zur Rückschau und immer wieder zum Aufbruch einlädt.
Das Artwork des Albums ist, wie bereits das des Debütalbums "Labyrinth", von dem in Düsseldorf lebenden Künstler Fynn Ribbeck gestaltet worden. Es ist ein Unikat und maßgeschneidert auf die Musik.